Bewertung von Fachzeitschriften: Academic Journal Guide 2018 („ABS-Liste“)

Im Jahr 2015 hat die Chartered Association of Business Schools (ABS) ihre letzte Rangliste betriebswirtschaftlicher Fachzeitschriften veröffentlicht: den Academic Journal Guide (AJG), der auch als „ABS-Liste“ bekannt ist. Diese ABS-Rangliste ist im Vereinigten Königreich als richtungsgebende Bewertung von Fachzeitschriften in der Betriebswirtschaftslehre fächerübergreifend recht einflussreich geworden. Obwohl die Rangliste stark kritisiert wurde und auf demokratischere Weise entwickelte Bewertungen vorliegen (z.B. VHB-JOURQUAL), wurde die ABS-Rangliste inzwischen von vielen Wirtschaftshochschulen auch in anderen Ländern übernommen.

Kurz nach der Veröffentlichung der vorherigen ABS-Liste hat Nature zehn Leitlinien der Forschungsevaluierung veröffentlicht, die seither als Leiden-Manifest bekannt geworden sind. Einer dieser Grundsätze besagt, dass die quantitative Bewertung die qualitative Beurteilung durch Fachleute unterstützen, jedoch nicht ersetzen sollte. In ähnlicher Weise fordert die von Tausenden von Forschern weltweit unterzeichnete San Francisco Declaration on Research Assessment (DORA) „bei der Beurteilung der Beiträge eines einzelnen Wissenschaftlers oder bei Einstellungs-, Beförderungs- oder Förderentscheidungen auf Fachzeitschriften basierende Kennzahlen […] nicht als Ersatzmaß für die Qualität einzelner Forschungsartikel zu verwenden“. Die Community for Responsible Research in Business Management (cRRBM) fragt sich, ob „es selbst der Wissenschaft nützt, wenn Fakultätsmitglieder nach der Anzahl und Platzierung ihrer Artikel bewertet werden statt dem möglichen Nutzen ihrer Forschung für die Welt“. In der Tat sind die nachteiligen Auswirkungen von Ranglisten umfassend belegt (siehe z.B. Espeland & Sauder, 2007 und Grant & Kovács, 2018).

Leider ist die ABS-Liste oft in genau der Weise verwendet worden, von der das Leiden-Manifest und DORA uns abhalten wollten – mit sehr nachteiligen Folgen für unser Fachgebiet. Viele SCM-Forscher glauben, dass die ABS-Liste die Zeitschriften unseres Fachgebiets unterbewertet. So wird das Journal of Supply Chain Management, eine Fachzeitschrift mit einem der höchsten Impact-Faktoren in der Betriebswirtschaftslehre, von ABS 2015 lediglich als „3“ und das Journal of Business Logistics als „2“ eingestuft. Beim Vergleich unserer Zeitschriften mit anderen Fachgebieten, wie Rechnungswesen oder Marketing, zeigt sich für mich, dass diese Zeitschriften eine „4*“ und „4“ verdienen. Schlimmer noch, viele SCM-Fachzeitschriften haben unter ihren niedrigen ABS-Bewertungen gelitten, weil SCM-Forscher, die die ABS-Rangliste zu ernst nahmen, der Meinung waren, dass sie in den höher bewerten Fachzeitschriften anderer Fachgebiete veröffentlichen sollten. AJG 2015 ist somit zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung geworden.

Im Jahr 2018 wurde der Academic Journal Guide 2018 veröffentlicht. Er enthält mehr als 1.500 Einträge. Leider hat AJG 2018 die Bewertungen führender SCM-Fachzeitschriften nicht angepasst. Unter den empirischen Fachzeitschriften bekommt nur das Journal of Operations Management eine „4*“, während Decision Sciences, das Journal of Supply Chain Management und Supply Chain Management: An International Journal erneut eine „3“ bekommen. Weiterhin erhalten das International Journal of Physical Distribution and Logistics Management, das Journal of Business Logistics und das Journal of Purchasing and Supply Management jeweils nur eine „2“. Die Tatsache, dass sich der Rang keiner dieser Zeitschriften geändert hat, deutet auf die fehlende Abbildung all der Veränderungen und Verbesserungen in der neuen Rangliste hin, die unser Fachgebiet in den letzten Jahren gemacht hat. Nur vier von acht Fachzeitschriften (jeweils vier empirisch und analytisch ausgerichtete Zeitschriften), die von führenden SCM-Hochschulen als Spitzenzeitschriften unseres Fachgebiets ermittelt wurden (manchmal informell als „Korb der acht SCM-Zeitschriften“ bezeichnet; siehe The SCM Journal List), konnten einen AJG-Rang über 3 erreichen. Mein Vorschlag wäre, AJG 2018 nicht zu beachten, da es die Zeitschriften unseres Fachgebiets nicht richtig darzustellen scheint.

Interessanterweise twitterte sogar die Chartered ABS selbst, dass das REF2021-Sub-Panel seine eigene Liste nicht beachten wird, so dass es sich ihrer Mängel durchaus bewusst sein könnte:

#REF2021 Sub-Panel Chair: „Wir werden keine Kennzahlen verwenden. Unsere Aufgabe ist die Beurteilung von Originalität, Relevanz und Gründlichkeit. Wir werden #AJG2018 nicht dazu verwenden.“ Robert Blackburn #ARC2018

Aber es gibt etwas Hoffnung: Der letzte Durchlauf des AJG war eine vorläufige Überarbeitung mit dem Hauptzweck der Aufnahme neuer Fachzeitschriften. Der nächste Durchlauf, der im Jahr 2021 veröffentlicht werden soll, wird dann eine umfassende Überarbeitung sein. Dies ist sicherlich sehr spät, doch besser spät als nie: Karrieren können von solchen Listen abhängen. Daher verdient unser Fachgebiet dringend eine bessere Qualität des AJG. Ich hoffe, das für die Liste zuständige Team ist sich seiner Verantwortung bewusst.

Über Andreas Wieland

Andreas Wieland ist außerordentlicher Professor für Supply-Chain-Management an der Copenhagen Business School. Seine aktuelle Forschung befasst sich mit Resilienz und Sozialverantwortung in Lieferketten.

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